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GNADENBILD

Zwei Gnadenbilder

Maria Roggendorf verfügt über zwei Gnadenbilder. Ursprünglich wurde wohl die spätgotische Strahlenkranzmadonna (eine Holzplastik) hauptsächlich verehrt, wie die Wallfahrtsbildchen zeigen. Seit den Monatswallfahrten rückte die auf Leder gemalte „zärtliche Muttergottesdarstellung“ in den Mittelpunkt der marianischen Frömmigkeit.

Das Fehlen archivalischer Quellen bezüglich Entstehungsort und Entstehungszeit macht es notwendig, sich auf stilistische Beobachtungen zu stützen. Diese sind ihrerseits mit großer Vorsicht zu tätigen, da das Bild Mariens und ihres göttlichen Kindes zweifellos Überarbeitungen erfahren hat.

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Blicke sind dem Betrachter zugewandt

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Das Gnadenbild Zärtliche Maria mit Kind stammt aus dem 15. Jahrhundert. Der auf Leder gemalte und in ein Oval gefasste zentrale Bildinhalt zeigt uns eine „zärtliche“ Madonnendarstellung, dem Typ der „Elëusa“ verpflichtet. Das Kind sitzt auf dem Arm der Mutter, der es seine Zärtlichkeit erweist: Es schmiegt seine Wange an jene der Mutter und greift mit seinem Ärmchen nach dem Kinn bzw. dem Hals Mariens. Es fällt auf, dass der Blick Jesu nicht auf Maria ruht, sondern die Augen von Mutter und Kind in gleicher Weise dem Betrachter zugewandt sind.

Die Bekleidung beider, der grüne Brokatstoff, der, vom Haupt Mariens niederfallend, ihre Gestalt umhüllt, wie ebenso das weiße Tuch, das den Leib des Kindes wärmt und schützt, weisen reichen floralen Schmuck auf.

Der Goldhintergrund deutet die Transzendenz an und verkündet göttliche Gnade und Glorie. Bemerkenswert ist auch die Dreizahl der Kronen.

Brasilianisches Bildnis gleicht jenem von Maria Roggendorf

Das Bekanntwerden mit dem Gnadenbild von Vitoria in Brasilien („Unsere Liebe Frau vom Felsen“), das bis ins kleinste Detail dem Maria Roggendorfer Bildnis gleicht und seit dem 16. Jahrhundert verehrt wird, hat die Vermutungen, unsere Darstellung stamme aus Italien, ins Wanken gebracht. Denn das brasilianische Bild verweist auf spanische Herkunft und legt die Verwandtschaft auch unseres Bildes mit einer gemeinsamen Wurzel nahe.

 

Nicht übersehen werden sollte, dass das Gnadenbild unserer Basilika von einer imperialen Aura umgeben ist: Da ist zum einen der zweimal eingearbeitete Doppeladler in der Krone Mariens, weiters die deutlich dargestellte „Habsburger-Lippe“ des Kindes, wie wir sie von Porträts spanischer Infanten kennen. Nicht zuletzt wird man feststellen dürfen: Maria ist nicht als die „Frau aus dem Volke“ dargestellt, sondern begegnet uns in der Vornehmheit hoch-adeliger Herkunft. Perlenkette und Fingerringe unterstreichen dies.

Einheit von Mutter und Kind

Doch wichtiger als alle kunstgeschichtlichen Erwägungen ist die theologische Aussage unseres Bildes:

 

  • Die dargestellte Einheit von Mutter und Kind, dem alle rational-geprägte „Marienphobie“ fehlt;

  • der Blick beider, der fragend-einladend dem Betrachter gilt;

  • das Süß-Beglückende dieser Beziehung, an der Brüder und Schwestern Jesu, die Söhne und Töchter Mariens teilhaben dürfen.

 

In diesem Sinn sind die Worte: „Siehe, dein Sohn!“, und: „Siehe, deine Mutter!“- in welcher Sprechrichtung auch immer – zu verstehen. Jesus ist das Glück Mariens, Maria die Freude Jesu Christi.

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